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Ein „exemplarischer Entwicklungsroman“ (Martin Walser) vor dem Hintergrund des deutschen Wirtschaftswunders und der Studentenrevolte von 1968. Der Protagonist Erich Wegner arbeitet nach Abschluss der Schule im Tiefbau, aber in ihm reift allmählich der Entschluss, seine Situation zu verändern. Er holt das Abitur nach, beginnt Jura zu studieren und absolviert erfolgreich eine akademische Laufbahn. Eine verheißungsvolle Zukunft scheint vor ihm zu liegen, doch seine Hoffnungen und Erwartungen erfüllen sich nicht; sie werden durchkreuzt von seinen Vorstellungen von einem humanen und selbstbestimmten Leben in einer sozialen Gesellschaft. Er überlegt, fortzugehen, neu anzufangen. Es bleibt die Frage, ob Wegner jemals eine echte Chance hatte.

Medienresonanz (eine Auswahl)

„Ich habe das Buch in einer Nacht begierig verschlungen. Ich fand es spannend und witzig, traurig und komisch, ernüchternd und bedenkenswert.“ Norddeutscher Rundfunk
„Ein sehr zeitgemäßer Bildungsroman“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Überzeugt durch Wucht, Geradlinigkeit und jene Wirklichkeitsnähe, die auf eigenen Erfahrungen basiert.“ Mannheimer Morgen
„Wohin Wegner auch aufsteigt, er fühlt sich nicht oben. Er leidet unter den Widersprüchen der Gesellschaft… Das Buch kann jeder lesen. Er sollte es tun.“ Südwestfunk
„Bittners Beschreibungen des Alltags sind gekonnt.“ Göttinger Tageblatt
„In diesem Buch würden sich Hunderttausende wieder erkennen – wenn sie es lesen würden.“ Lektüre (Platz 10 der Bestenliste)
„Eines der wichtigsten Bücher des letzten Herbstes.“ Angestellten-Magazin
„So schreiben wie jedermann… Ein rundes Buch ist Wolfgang Bittner gelungen, ein Entwicklungsroman, der zurzeit in Deutschland seinesgleichen sucht.“ Welt der Arbeit
„Aus eigener Kraft nach oben – geht denn das?“ Spandauer Volksblatt (Platz 4 der Bestenliste)
„Bittners Roman gibt keine Handlungsanleitungen… Der Leser vollzieht mit der Hauptfigur zusammen den Weg eines Erkenntnisprozesses. die andere zeitung
„An dem Roman muss auch die sprachliche Qualität hervorgehoben werden.“ Höchster Kreisblatt
„Wegner ist nur einer von vielen, die in aller Naivität an das Glück des sozialen Aufstiegs glauben… Am Ende bleibt die Utopie des Sich-selbst-Gebärens. Keine Resignation, sondern nochmals Mut zum totalen Neubeginn.“ Weser-Kurier
„Ein bemerkenswerter Roman mit autobiografischen Momenten.“ Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur

Leseprobe I

Die Starfighter starteten kurz nacheinander. Kaum hatten die vier Maschinen abgehoben, zogen sie mit gewaltiger Geschwindigkeit in den blauen Himmel hinein. Hinter ihren Triebwerken flimmerte die Luft. Wie die gespreizten Finger einer Hand fuhren sie zuerst auseinander und strebten dann langsam wieder aufeinander zu, um in großer Höhe zum Formationsflug überzugehen.
Erich Wegner stand auf seinen Spaten gestützt im Graben und sah den glänzenden Vögeln hinterher, bis ihn die Sonne blendete. Er malte sich aus, wie er am Steuerknüppel eines Düsenjägers feindlichen Bomberschwärmen entgegen flog, die er mit seiner Leuchtspurmunition spuckenden Bordkanone beharkte. Bei jedem Einsatz würde er mindestens zehn oder sogar zwanzig Abschüsse machen, wie dieser Jagdflieger in den Landserheften, das war klar. Und dafür würde ihm der General einen Orden verleihen und die Kameraden würden ihm auf die Schulter klopfen. Frauen wären kein Problem, die würden ihm, einem gut aussehenden Luftwaffenoffizier in einer Uniform voller Orden, zu Dutzenden hinterherlaufen. Natürlich hätte er dann außer seiner Jagdmaschine auch noch einen rassigen Sportwagen.
Pilot müsste man sein, dachte er und fluchte beim Weiterarbeiten vor sich hin, weil er andauernd auf Felsbrocken stieß. Wie sollte man bei so einer mistigen Strecke den Akkord schaffen. Er stellte den Spaten beiseite, nahm die Spitzhacke und schlug, weit ausholend, auf die Steinbrocken ein, bis sie zersprangen. Aber kaum hatte er einen weggeräumt, kam schon der nächste zum Vorschein.
Scheißmaloche. Er richtete sich auf. Vor ihm war nichts als Heidekraut und niedriges Buschwerk, durch das sich eine Schnur spannte. Hinter ihm befand sich ein Stück Graben, 40 cm breit und 90 cm tief. Im Abstand von je 50 Metern hackten, schaufelten, gruben, wühlten die anderen. Wie die Maulwürfe, dachte er. Immer im Dreck und blind drauflos. Immer in diesen verfluchten Gummistiefeln. Nach ein paar Monaten hatte man garantiert Schweißfüße. Aber besser Schweißfüße, als ständig Wasser in den Schuhen.
Der Brocken vor ihm wog ein paar Zentner. Den bekommst du so nicht raus, überlegte er. Er versuchte, ihn mit der Spitzhacke zu spalten, aber es ging nicht. Der Presslufthammer musste her. Als er hochblicke, stand Willi da, breitbeinig, die Hände in den Hosentaschen.
„Na Erich“, sagte er, „hast wohl gestern wieder zentnerschwere Weiber gestemmt? Keinen Mumm, was?“
„Ach leck mich doch am Arsch“, knurrte er, „der Presslufthammer muss her.“
„He, Hannes“, brüllte Willi nach hinten, „komm mal mit dem Massageschwengel her!“
Sie waren insgesamt fünfzehn Mann. Willi Beckmann war der Vorarbeiter. Er arbeitete aber nicht vor, sondern passte auf, dass die anderen etwas taten. Das war wirklich seine Stärke. Er wusste genau, was er sich erlauben konnte und was nicht. Erlauben konnte er sich beispielsweise, diesem oder jenem in den Hintern zu treten, die Arbeitszeiten, die er eintrug, nach unten hin abzurunden oder selber nicht mitzuarbeiten. Nicht erlauben konnte er sich, die Arbeitszeiten nach oben hin aufzurunden, längere Pausen zuzulassen oder, wenn sie nicht auf Akkord, sondern nach Stundenlohn arbeiteten, ein gemütlicheres Arbeitstempo zu dulden. Würde er sich so etwas leisten, wäre er die längste Zeit Vorarbeiter gewesen. Das hätten sich der dicke Mönkeberg oder sein Ingenieur, die genau wussten, was bei einem Auftrag herausspringen musste, nicht lange mit angesehen. Und deswegen war Willi Beckmann ein hervorragender Aufpasser. Er feuerte jeden, der nicht spurte. Ungelernte Arbeiter gab es wie Sand am Meer. Ein Anruf beim Arbeitsamt genügte.
Hannes Tammen zog den Kompressor heran, an den sie zwei Presslufthämmer anschlossen. Er war ein alter Fuchs, schon Ende Vierzig, aber zäh wie eine Schuhsole. Im Krieg war er Unterscharführer, also so etwas wie Unteroffizier, bei der Waffen-SS gewesen. Gemeinsam zerlegten sie den Brocken in einzelne Stücke, die sich ohne Schwierigkeiten beiseite schaffen ließen. Willi stand daneben und gab gute Ratschläge, bis Hannes sagte, er solle nicht so viel reden, sondern lieber mal mit anfassen. Da hatte er plötzlich etwas aus dem Auto zu holen und trollte sich.
„Klogschieter“, brummte Hannes hinter ihm her. Er half noch, das Geröll wegzuschaufeln, bevor er wieder abzog…

Leseprobe II

Es war stickig und warm in dem alten Hörsaal. Draußen brütete die Sonne. Er sah die Silhouette von Göttingen. Die Studentin neben ihm grinste. Nein, sie lächelte ihm zu. In der Tischplatte stand: ‚Ach du lieber Benedikt, ich bin schon wieder eingenickt.’ Darunter: ‚Make love, not war.’ Studentenlangeweile, Äußerungen unterbewusster Unlust, Studentenprotest vielleicht. ‘Hier verblödet ein Genie.’
Er drehte den Kugelschreiber um und kratzte dazu: ‚Coito, ergo sum.’ Descartes, korrigiert durch Sigmund Freud. Der Professor sprach von dem Faktor, der die Bewegung einleitete, die vom Chaos zum geordneten Kosmos führt, und der nach Anaxagoras nur eine vernünftige, vorausschauende, planmäßig wirkende Macht sein könne, sozusagen der Weltgeist oder die Weltvernunft. Das wiederum stütze die These, dass der Weltprozess ein seelischer, logisch-vernünftiger sei.
‚Vive la petite différence’, stand da in der Tischplatte. Studentenmissmut, unterdrückte Sexualität, intuitiv wahrgenommene Einengung. Der Professor zitierte, ursprünglich sei alles in einem chaotischen Gemisch durcheinander gewirrt gewesen, in dem kein Ding vom anderen gesondert und unterscheidbar war. Erich Wegner versuchte dem Gedankengang zu folgen, der ihm nicht uninteressant erschien, aber ihm fehlte der Zusammenhang, zumal jetzt ziemlich monoton von der Naturerklärung des Heraklit die Rede war, für den das wahrhaft Wirkliche stets ein Werdendes und Fließendes gewesen sei, alles Beharrende lediglich ‚Sinnenschein’.
Er nahm sich vor, gelegentlich in der Seminarbibliothek nachzulesen, was es mit der Welterkenntnis der Vorsokratiker auf sich hatte.
„Langweilig heute“, flüsterte seine Nachbarin. Kommilitonin, ein merkwürdig gestelztes Wort. Sie hatte große braune Augen. Die passten gar nicht zu ihrem sandfarbenen Haar, zu der spitzen Nase und den schmalen beherrschten Lippen.
Auf der Bank stand: ‚Ach, wär ich doch bei Luzie und nicht bei diesem Herrn, bei diesem muss ich schlafen, bei Luzie tät ich’s gern.’ Studentensprüche, die mehr aussagten als manche Soziologievorlesung.
Es waren gute Augen, vertrauenswürdige Augen. „Ja“, raunte er zurück, „es ist heute sehr langweilig – gewesen.“
Nach der Vorlesung traf er sie auf dem Flur wieder. Seine Scheu überwindend, sprach er sie an: „Hoffentlich hab ich nicht geschnarcht.“
„Nein, nein!“ Sie lachte und ihr Lachen sprang auf ihn über und nahm ihm seine Befangenheit. „Sie haben ganz friedlich geschlafen, ganz friedlich und unauffällig.“

Leseprobe III

Der Professor trug vor, was man ebenso gut oder besser hätte nachlesen können. Dass nach Paragraph 1589 Absatz 2 BGB der Erzeuger als nicht verwandt mit dem unehelichen Kind gilt. So stand es tatsächlich im Gesetz. Und dass nach Paragraph 1708 BGB der Vater des unehelichen Kindes verpflichtet sei, diesem einen standesgemäßen Unterhalt zu gewähren.
„Die Alimentation bemisst sich nach der Lebensstellung der Mutter“, erklärte der Professor. „Um die Vaterschaftsfeststellung und Alimentenzahlung kümmert sich das Jugendamt. Allerdings kommt es vor“, fuhr er verschmitzt lächelnd fort, „dass eine Mutter den Namen des Erzeugers verschweigt oder dass der Erzeuger einfach nicht zahlen kann. In solchen Fällen ist natürlich auch das Jugendamt machtlos.“
Neben Erich Wegner saßen einige Studenten mit Couleurbändern quer vor der Brust und Bierzipfeln am Hosenbund, wodurch sie sich als Angehörige einer Verbindung zu erkennen gaben. „Jetzt kommt’s gleich“, flüsterte ein älterer Student unter ihnen den anderen zu. „Das bringt er garantiert jedes Semester.“
Und schon wandte sich der Professor leutselig an eine gutaussehende Studentin in der ersten Reihe und fragte: „Was würden Sie machen, verehrteste Kommilitonin, um den Vater Ihres unehelichen Kindes zum Unterhalt heranzuziehen?“
Die Folge war allgemeine Heiterkeit.
„Nur mal als Unterstellung, Sie hätten eins“, sagte der Professor beschwichtigend.
„Ich kann meine Kinder auch selber ernähren“, zog sich die Studentin aus der Affäre.
„Meine Herren“, trompetete der Professor befriedigt, „merken sie sich diese Dame!“
Alles lachte, brüllte vor Lachen. Der ganze Hörsaal toste.
Erich Wegner fühlte sich fremd.
„Wenn sie mit dem Gericht gekommen wäre, geht der Witz auch mit Inachtnehmen vor dieser Dame“, flüsterte der ältere Verbindungsstudent mit Lachtränen in den Augen. Anscheinend hatte er seine Bundesbrüder nur des Witzes wegen in diese Vorlesung geführt. Sie amüsierten sich köstlich.
Akademische Freuden, dachte Erich Wegner bei sich. ‚Freude, schöner Götterfunken!’ Wenn man dazu noch einen fetten Monatswechsel von zu Hause bekommt, kann man es gut einige Jährchen an so einer Universität aushalten.
Er schwankte zwischen achtungsvoller Bewunderung des akademischen Lebens und einer sich aus der kritischen Reflexion akademischer Möglichkeiten ergebenden Ablehnung dieses überwiegend verstaubten Trubels und Akademikertums. (…) Warum unterhalten wir uns nicht darüber, dass man den Paragraphen 1589 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1900, wonach Vater und Kind nicht verwandt sein sollen, abschaffen müsste, dachte er. Warum erfährt man nicht, dass diese Bestimmung nicht mehr passt, noch nie gepasst hat, dass sie in Zusammenhang mit dem Erbrecht gesehen werden muss, wonach Verwandte erben…